Was für billiger Populismus! Weil es in Luxemburgs Justiz nicht rund läuft, wird ausgerechnet das Bettelverbot dafür verantwortlich gemacht. Ermittler der Kriminalpolizei würden in der Hauptstadt nach Bettlern Ausschau zu halten, statt in laufenden Dossiers ermitteln, empört sich Generalstaatsanwältin Martine Solovieff.
Jeder der irgendwie mit Luxemburgs Justiz zu tun hat oder hatte, weiß: Gerichtsaffären schleppen sich dahin. Denn der „Engpass Justiz“ schlägt bereits seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten, alle Rekorde in Sachen Verspätung. Die Lage unserer unheimlich langsamen und trägen Justizverwaltung ist also nicht neu. Neu ist jedoch, dass Generalstaatsanwältin Martine Solovieff ganz plötzlich dieses Problem entdeckt, an die Öffentlichkeit zerrt und eindrucksvoll mit Zahlen belegt.
„108 Fälle von allgemeiner Kriminalität, 43 Fälle von sexuellem Missbrauch, 283 Fälle von Jugendkriminalität, 72 Fälle von Geldwäsche, 320 Fälle von Wirtschafts- und Finanzkriminalität und 465 Fälle der Abteilung für Ausbildung, Unterstützung und Methoden in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen sind derzeit unberührt in der Warteschleife. Es ist klar, dass ein Großteil dieser Fälle nie bearbeitet wird“, so Solovieff. Schuld gibt sie Innenminister Léon Gloden (CSV), der Polizisten zur Durchsetzung des Bettelverbot abgezogen hätte. „Ganze 880 Stunden haben diese zwischen dem 29. Januar und dem 29. Februar damit verbracht.“
Das massive Justizproblem während der Regierungszeit der Gambia-Koalition anzusprechen, ist der Generalstaatsanwältin nicht eingefallen. Aber da gab es ja auch noch kein Bettelverbot! Obwohl es aus Justizkreisen vor Jahren hieß: „Auf allen Ebenen kämpft man gegen Überstunden, nicht mehr zu verantwortende Fristen und Verspätungen.“ Schon 2020 war der Gerichts- und Polizeiapparat am Ende seiner Kräfte, seines Fassungsvermögens und weit darüber hinaus, die annehmbaren Grenzen zeitnaher Prozesse und Ermittlungen zu gewährleisten (PRIVAT berichtete als einzige Zeitung).
„1.291 unbearbeitete Verbrechen zeigen nur, dass wir nicht genug Polizisten haben“, so Innenminister Léon Gloden, der die Vorwürfe von Generalstaatsanwältin Martine Solovieff mehr oder weniger als Milchmädchenrechnung betrachtet. 110 Polizisten waren demnach acht Stunden, also einen Arbeitstag, „op dem Terrain“ und würden sich dabei natürlich auch um illegale Bettelei kümmern. „Dass nur zwei Protokolle in Verbindung mit dem Bettelverbot in dem Monat eingegangen sind, ist ein Zeichen, dass die Regierung nicht darauf aus ist, einfache Bettler zu verfolgen. Sonst hätte es mehr Protokolle gegeben“, so Gloden.
„Die vorige Regierung hat nichts gemacht und den Kopf in den Sand gesteckt hat“, analysiert Léon Gloden in diesem Zusammenhang das, was PRIVAT schon immer über die unheilige Allianz vom grünen Polizeiminister Henri Kox und der grünen Justizministerin Sam Tanson während ihrer Amtszeit berichtet hat. Und auch die LSAP, die Speerspitze gegen das Bettelverbot, bekam einen entsprechenden Seitenhieb. „Der LSAP-Abgeordnete Franz Fayot demonstriert gegen die Polizeipräsenz in der Oberstadt, nimmt dann aber an einer Demonstration im Bahnhofsviertel für mehr Polizeipräsenz teil, weil er genug von der Drogenkriminalität hat.“ Gloden warf der Opposition Doppelmoral vor.
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